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Medizinskandal erschüttert Polen


polnische Zeitung Gazeta Wyborcza vom 24. Januar 2002

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Medizinskandal erschüttert Polen

Die angesehene Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtete am Mittwoch, 24.01.2002 über den möglichen Medizinskandal aus dem zentralpolnischen Lodz, der inzwischen das ganze Land erschüttert. Die Reportage löste noch am gleichen Tag Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft und eine Sondersitzung des Gesundheitsausschusses aus. Eine äußerst sorgfältige Untersuchung soll nun zunächst klären, ob die mit dem Pfeilgift Curare verwandte Droge Pavulon Patienten verabreicht wurde und zu einem qualvollen Tod führte.


Handel mit "Häuten"



Unter dem Titel "Die Häute von Lodz" schilderten die Journalisten unter Berufung auf Klinikpersonal den angeblich schon seit zehn Jahren andauernden Horror in der Notaufnahme. Bei den "Häuten" handelt es sich um tote Patienten. Der zynische Begriff degradiert Menschen zur Handelsware. Von dem einträglichen Geschäft sollen Bestattungsunternehmen, einige Ärzte, Sanitäter und Fahrer von Rettungswagen nicht schlecht gelebt haben.



Bestattungsunternehmen sollen auf der Suche nach "Kundschaft" die Gesetze von Angebot und Nachfrage auf ihre Weise interpretiert haben. Gegen eine Provision von 1200 bis 1800 Zloty (333 bis 500 Euro) hätten die Helfer in der Notfallaufnahme Druck auf die Angehörigen toter Patienten ausgeübt, damit diese ein bestimmtes Beerdigungsinstitut wählten.



Ärzte gelten als besonders korrupt



Diese Praxis gilt mittlerweile als bestätigt und nicht nur auf Lodz begrenzt. Ärzte gelten in polnischen Umfragen nach den Zöllnern ohnehin als eine besonders korrupte Berufsgruppe. Doch der Vorwurf, dass die unter Spitznamen wie "Doktor Mengele" und "Todesengel" arbeitenden Klinikmitarbeiter Patienten getötet oder durch unterlassene Hilfeleistung den Tod bewusst riskiert haben könnten, schlug ein wie eine Bombe.



"Wenn das wahr ist, dann kann man nicht von einem Verbrechen sprechen, sondern von einer Entartung, dem Bruch mit allen ethischen und menschlichen Grundlagen", fand Staatspräsident Aleksander Kwasniewsi nach dem ersten Entsetzen deutliche Worte. "Ich kann nur hoffen, dass das nicht stimmt", sagte Adam Schulz, Sprecher der polnischen Bischofskonferenz. "Selbst in Ländern mit sehr niedriger Kultur haben die Menschen schließlich Respekt vor den Toten."



Jacek Giernadowicz, dessen krebskranke Frau im vergangenen November starb, wandte sich nach dem Zeitungsbericht unverzüglich an die Staatsanwaltschaft in Lodz. Zwei Stunden habe er neben der Sterbenden auf den Rettungswagen gewartet und die Helfer vier Mal zur Eile gemahnt. Als der Notarzt endlich kam, habe er nur noch den Tod der Frau feststellen können. Weitaus eiliger als der Rettungswagen hatte es ein ungebetener Besucher: Eine halbe Stunde später sei ein Bestattungsunternehmer aufgetaucht und habe seine Dienste regelrecht aufgedrängt.



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